Immer häufiger müssen sich Arbeitsgerichte damit befassen, welche Äußerungen auf Social Media privater oder öffentlicher Natur sind, ob sie durch Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrechte gedeckt sind und wann Abmahnungen oder auch Kündigungen erlaubt sind.
Die im Grundgesetz garantierte Meinungsfreiheit ist ein wichtiges und geschütztes Rechtsgut, das die Beschäftigten nicht am Werkstor abgeben – ebenso wenig wie ihre Persönlichkeitsrechte. Dieser Grundrechtsschutz gilt natürlich auch für den Umgang mit Social Media. Allerdings gelten im Arbeitsverhältnis strengere Grenzen als im Privatleben. Jeder Arbeitnehmer muss die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht beachten und unterliegt auch der sog. Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber. Daraus ergibt sich, vereinfacht gesagt, dass jeder Arbeitnehmer bei allen Äußerungen mit Bezug zum Arbeitsverhältnis, im „Real Life“ ebenso wie auf Social Media, darauf achten muss, berechtigte Interessen des Arbeitgebers nicht erheblich zu belasten und das Vertrauensverhältnis nicht zu zerstören. Verstöße gegen die Loyalitätspflicht können zu Abmahnungen und in besonders schweren Fällen auch zu einer fristlosen Kündigung führen.
Wer eigene Beiträge in sozialen Medien veröffentlicht, sollte mit direkter Kritik am Arbeitgeber sehr vorsichtig sein. Vor allem in Beleidigungen, Diskriminierungen oder herabwürdigenden Äußerungen sehen Arbeitsgerichte sehr häufig eine Verletzung der Treuepflicht, insbesondere wenn das Unternehmen benannt oder deutlich erkennbar ist. Das gilt auch für Beiträge, die sich in nicht hinnehmbarer Weise an Kollegen oder andere Beteiligte des Arbeitsverhältnisses richten.
Dabei prüfen die Arbeitsgerichte im Rahmen einer Interessenabwägung im Einzelfall, wie gravierend die Pflichtverletzung ist, berücksichtigen aber auch Reichweite und Verbreitungsgrad des Postings. Je größer die Reichweite, desto schwerer die Pflichtverletzung.
So hat das Arbeitsgericht Berlin die Kündigung eines Straßenbahn-Fahrers für rechtmäßig gehalten, der in einer privaten Facebook-Gruppe eine Fotomontage gepostet hatte. Auf dem Bild war ein auf dem Boden knieender Mann abgebildet, auf dessen Kopf ein Pistolenlauf gerichtet war. Das Bild war betitelt mit: „Ver.di hört den Warnschuss nicht“. Zusätzlich war das Logo des Arbeitgebers zu erkennen. Daraufhin beschwerten sich Mitarbeiter, die gleichzeitig Gewerkschaftsfunktionäre sind, beim Arbeitgeber und erklärten, sich erheblich bedroht zu fühlen.
Das Arbeitsgericht erkannte zwar an, dass eine Veröffentlichung des Postings in einer privaten Chat-Gruppe erfolgt sei, jedoch richtete sich die Chat-Gruppe in diesem Fall ausdrücklich an das Personal des Arbeitgebers. Der Inhalt des Postings stellte nach Ansicht des Gerichts eine erhebliche Bedrohung dar und führte deshalb zu einer massiven Störung des Betriebsfriedens.
Das Arbeitsgericht führte weiterhin aus, dass die Drohung aus der Fotomontage nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt sei und darin eine Verletzung einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht liege, die der Arbeitgeber nicht hinnehmen müsse. Deshalb sei auch eine Abmahnung nicht erforderlich.
Nur aufgrund der 15-jährigen Betriebszugehörigkeit des Beitragseinstellers, der zudem alleinerziehender Vater dreier Kinder ist, sah das Arbeitsgericht im Rahmen einer Interessenabwägung davon ab, die vom Arbeitgeber ausgesprochene fristlose Kündigung zu bestätigen. Eine fristgerechte Kündigung ohne Abmahnung sei dagegen rechtmäßig (ArbG Berlin, Urteile vom 7. Oktober 2024 – 59 Ca 8733/24 u. 59 Ca 11420/24).
Auch diskriminierende, rassistische, fremdenfeindliche oder sexistische Beiträge und Kommentare bleiben in aller Regel nicht folgenlos, v. a., wenn ein Bezug zum Arbeitgeber oder zu Arbeitskollegen besteht. So wurde beispielsweise die fristlose Kündigung eines Redakteurs nach antisemitischen Äußerungen auf privaten Social-Media-Kanälen bestätigt (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4. April 2024, Az. 5 Sa 894/23).
Schon zuvor wurde entschieden, dass ein menschenverachtender Facebook-Post mit Bezug zum Arbeitsverhältnis aufgrund der Schwere des Verstoßes eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt (LAG Sachsen, Urteil vom 27. Februar 2018, Az. 1 Sa 515/17).
Fast ein Klassiker ist inzwischen das Posting eines Auszubildenden in einer geschlossenen Gruppe auf Facebook, sein Chef und Ausbilder sei ein „Menschenschinder und Ausbeuter“. Der Chef erhielt davon Kenntnis und sah darin, ebenso wie das LAG Hamm, eine nicht hinnehmbare Beleidigung (LAG Hamm, Urteil vom 10. Oktober 2012, Az. Sa 644/12).
Während die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte bei eigenen Postings einigermaßen einheitlich zu sein scheint, ist die arbeitsrechtliche Bewertung von „Likes“ oder ähnlichen Zeichen unter fremden Beiträgen umstritten. „Likes“ bzw. „Gefällt-mir“-Angaben stehen, so manche Arbeitsgerichte, oft eher für sich, ohne dass der jeweilige Nutzer ausführt, was er mit dieser Kennzeichnung genau zum Ausdruck bringen möchte. Deshalb wird differenziert zwischen einem einfachen „Daumen hoch“ und einem inhaltlichen Kommentar, bei dem die rechtliche Bewertung aufgrund des geschriebenen Inhalts einfacher ist. Vor diesem Hintergrund kann ein „Like“ im Einzelfall als eine Handlung mit „niedrigem Bedeutungsgehalt“ bewertet werden, die dann keine Kündigung rechtfertigt (ArbG Dessau-Roßlau, Urteil vom 21. März 2012, Az. 1 Ca 148/11).
Bei hoheitlichen Aufgaben können die Grenzen jedoch deutlich enger gefasst sein. So kann ein Like an einer homophoben Karikatur Zweifel an der charakterlichen Eignung eines Bundespolizisten begründen mit der Folge, dass eine Einstellung nicht erfolgt (VG Aachen, Urteil vom 26. August 2021, Az. 1 L 480/21).
Wie so oft im Arbeitsrecht kommt es immer auf die Umstände des Einzelfalls an – und auf das zuständige Arbeitsgericht. Daumen hoch!